Persönliche Assistenz

Walking on the sky, summer and friendship concept

Drrring! Das Telefon klingelt. Hastig öffne ich die Augen und blicke doch dem leider schon angebrochen Tag in die Augen. Schade, der Traum war gerade so schön.

Ich springe kurzerhand aus dem Bett, schnappe mir mein Telefon und begebe mich – inzwischen telefonierend – ins Bad, wo ich mir erst mal kurz Wasser ins Gesicht klatsche, um einigermaßen wach zu werden…

So oder ähnlich beginnt ein Tag bei dir. ‘Bei mir auch – nur doch ein wenig anders. Ich schnappe mir nämlich nicht einfach das Telefon oder springe aus dem Bett, sondern rufe eines meiner insgesamt 18 Arm- und Beinpaare. Die holen mir dann das Telefon oder helfen mir aus dem Bett – je nach dem, was gerade ansteht.

Du hast es sicherlich schon erraten: Ich sitze im Rolli und bin bei vielen Dingen im Alltag auf Unterstützung von fremden Armen und Beinen angewiesen. Und damit ich – genau so wie du auch – aufstehen, telefonieren, essen, trinken, ausgehen(oder rollen) und was weiß ich noch tun kann, beschäftige ich insgesamt bis zu zehn Assistentinnen, die eben genau dann für mich einspringen, wenn ich manuell etwas nicht alleine kann.

Aber wie das bei Armen und Beinen (zumindest meistens) so ist, gebe ich die Anweisungen und sie führen nur aus. Ich bin nämlich die Chefin in diesem 10-Frauen-Betrieb. Nur dass es eben meist etwas länger dauert, bis die Reizweiterleitung von meinem Sprachzentrum in den Armen der Assistentinnen angekommen ist :-D

Diese „Befehlsübermittlung“ an meine externen Extremitäten verläuft leider nicht immer ganz problemlos. Häufiger kommte es vor, dass Anweisungen falsch verstanden werden (was bei so langen Wegen ja immer mal vorkommen kann) oder – und das regt mich dann manchmal wirklich auf: Manchmal machen sich meine externen Arme und Beine selbstständig. Ja, du hast richtig gehört: Ist dir das noch nie passiert dass plötzlich deine Arme und Beine anfangen, aufzuräumen und du willst das eigentlich gar nicht? Oder dass sie dir plötzlich die Haare zusammenbinden, obwohl du sie eigentlich offen tragen wolltest? Nein? Mh, ach ja, das liegt dann wahrscheinlich daran, dass deine Arme und Beine nur zu dir gehören. Bei mir sind allerdings noch andere menschliche Wesen im Anhang dran. Da kommt es dann manchmal zu kleinen Befehlsüberschneidungen.

Mal ganz im Ernst: Klar sind die Assistentinnen, die ich beschäftige, in der Zeit, in der sie bei mir Dienst haben, nicht plötzlich weg oder haben keinen eigenen Willen mehr. Nur: Sie werden halt dafür bezahlt, mich bei meinen persönlichen Bedürfnissen 24 Stunden zu unterstützen. Und es ist manchmal schon echt ätzend, wenn ich Spaghetti Bolognese kochen möchte, und die Assistentin weiß aber besser, wie es geht und macht das dann einfach so, wie SIE es für richtig hält. Ganz ehrlich: Selbst, wenn ich eben eine Anweisung gebe, die Soße zu versalzen: Es ist doch MEIN Essen. Da habe ich doch auch das Recht, es so zu kochen, wie ICH es möchte. Auch auf die Gefahr hin, dass es dann eben nicht so gut schmeckt.

Wenn allerdings die Assistentin das nicht so ganz auf die Kette kriegt und z.B doch nur etwas „Gutes tun und mich vor Fehlern bewahren möchte“, kann es auch mal sein, dass sie dann eben nicht ganz zu mir passt und ich mich von ihr trennen muss. Sprich: Wie in jedem Job, gibt es auch bei mir das Recht, meinen Angestellten zu kündigen, wenn es nicht so läuft, wie es sollte.

Und das ist wichtig, denn schließlich geht es hier nicht darum, wie ein Staubsauger zusammengeschraubt wird, sondern es geht um MEIN LEBEN und die Erfüllung MEINER persönlichen Bedürfnisse, für die ich eben nicht selbst sorgen kann. Punkt.

Und wenn das eben mal so weit ist, dann beginnt wieder die Suche nach neuen, gutem Armen und Beinen: Internetanzeige, Bewerbungen,Vorstellungsgespräche, Probearbeiten, Entscheidung, Vertragsunterzeichnung…

Ist manchmal ganz schön anstrengend – aber es lohnt sich! Für mich, für mein selbstbestimmtes Leben. Denn das ist für mich persönliche Freiheit: Aufstehen zu können, wann und wie ich es möchte, mich kleiden zu können, wie ich es möchte, mir die Haare zu kämmen, wie ich grad lustig bin, auszugehen…oder was auch immer. Ein selbstbestimmtes Leben zu führen eben. So, wie du auch.